Besitzverhältnisse und Arbeitsbedingungen in den Schleifkotten
Die Schleifer arbeiteten als eigenständige Handwerksmeister und waren somit selbst Besitzer der notwendigen Produktionsmittel. Natürlich konnte sich nicht jeder Schleifer eine eigene Wasserkraftanlage für den Antrieb seiner Schleifstellen leisten. Statt dessen war es üblich, dass die Schleifer Arbeitsstellen in den Kotten entweder zum Eigentum oder gemietet hatten. In der Regel besaßen die einzelnen Schleifermeister mehrere Kraftstellen zur Beschäftigung von Gesellen und Lehrlingen. Nicht nur einzelne Räume, sondern auch die Schleifstellen in den Räumen hatten häufig verschiedene Besitzer. Zuweilen waren Anteile eines Kottens auch im Besitz von Berufsfremden, die hierin eine geeignete Kapitalanlage sahen.
Abgesehen davon, dass die Eigentumsverhältnisse in den Wasserkotten eine permanente Quelle von Streitigkeiten sein konnten, klagten auch die Gewerbeaufsichtsbehörden wiederholt darüber, dass sich Auflagen nur schwer durchsetzen ließen, weil die meisten Investitionen aufwendige Vereinbarungen und Beschlüsse unter den Besitzern voraussetzten.
Auf der anderen Seite ließen die Gemeinschaftsaufgaben beim Betrieb und zur Instandhaltung der gemeinsam genutzten Wasserkraftanlagen viele Kottenbelegschaften zu engen Solidargemeinschaften zusammenwachsen. Der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad und auch Formen solidarischer Selbsthilfe sind vor diesem Hintergrund zu sehen. So sammelte man in den meisten Kotten eine "Umlage"; mit der kranke, arbeitslose oder in andere Not gerate Schleiferkollegen finanziell unterstützt wurden.
"Ursprünglich war der Erbauer auch Eigentümer und Meister in seinem Kotten. Er war im Anfang dem Lehnsherren, später dem Landesherren, zu einer jährlichen Pacht für die Ausnutzung der Wasserkraft verpflichtet. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich infolge der Erbteilungen eine Kottenanteilwirtschaft herausgebildet. Unter den Anteilseignern waren nicht nur Schleifer, sonder auch Berufsfremde, die ihre Schleifstellen verpachteten. Teilweise wurde daraus Erbpachtabgabe, die erst 1809 durch eine einmalige Abfindung aus der Staatskasse abgelöst wurde. Anteile in den Händen mehrerer Schleifer sind jedoch bis zum Jahre 1952, als die Stadt Solingen die noch in Betrieb befindlichen zwei Kotten aufkaufte, üblich gewesen.
Im Gegensatz zum Kottengebäude sind die Pliestachsen und die Pliestscheiben Eigentum der Schleifer. Ein Schleifer, der mit seinem Sohn zusammen in einer Plieststube arbeitet, besitzt 10 bis 15 Pliestscheiben fünf verschiedener Arten.
Das Schleifen der Klingen und Werkzeuge war ein wahrhaft schwerer Beruf. Und so klingt in den Berufsbezeichnungen "Blotschenschleifer" (Handschleifer) und "Wupperschleifer" im Gegensatz zum maschinellen Schleifen in den Werkstätten auf den Höhen etwas von der Achtung an, die man den selbständig arbeitenden Schleifern in den Kotten an der Wupper entgegenbrachte.
Die Kotten waren zugig und feucht. An den Schleifsteinen mussten die Schleifer mit großer Kraftanstrengung und fast ständig in nassen Kleidern arbeiten. Unvermeidlich war auch, dass Sie an ihren Schleifsteinen viel Staub schluckten. Infolgedessen waren Rheumatismus, Krankheiten der Atmungswege sowie Lungenentzündungen unter den Schleifern weit verbreitet.
Eine besondere Gefahr drohte von den Schleifsteinen selbst. Bei voller Umdrehungszahl zersprangen, "flogen" diese gelegentlich und schlugen den Schleifer zum Krüppel. Erst zu Beginn unseres Jahrhunderts mussten die letzten hölzernen Böcke (Schutzhauben) überall durch eiserne ersetzt werden, die wesentlich stärker waren als die hölzernen Schutzgestelle." (Zitat aus: Institut für den wissenschaftlichen Film Schleifen von Messerklingen in einem Solinger Schleifkotten, Filmbegleitheft, Göttingen 1964, S.9f)