Vom Ende der Wasserkraft

01.03.2020

Als der Solinger Wirtschafts- und Technikhistoriker Franz Hendrichs 1922 seine Schrift "Die Schleifkotten an der Wupper", die eine industriehistorische Wanderung entlang der Wupper beschreibt, verfasste, zählte der Wipperkotten zusammen mit sieben weiteren Kotten zu den letzten von einst 24 auf Solinger Gebiet befindlichen wassergetriebenen Wupperkotten.

Die Ära der Wasserkotten neigte sich ihrem Ende zu, nachdem zunächst die Dampfkraft und später der Elektromotor vorteilhafte Antriebsmöglichkeiten boten. Seit etwa 1850 und verstärkt nach 1871, als mit dem Eisenbahnanschluss (1867) und dem wirtschaftlichen Aufschwung die besten Bedingungen gegeben waren, kam es zu einer stetigen Zunahme von Arbeitsstellen in den Dampfschleifereien. Diese wurden vorzugsweise auf den Höhenrücken des Solinger Stadtgebietes errichtet und nach dem Modell der Wasserkotten betrieben: Wie in den Kotten wurden die Schleifstellen samt Kraftversorgung an selbständige Heimarbeiter (Stellenmieter) vermietet.

Seit der Jahrhundertwende, als auch die ersten elektrisch betriebenen Straßenbahnen im Solinger Stadtgebiet verkehrten, erfreute sich der Elektromotor als Antriebskraft für Schleifereien zunehmender Beliebtheit. Im Gegensatz zu Wasserrad oder Dampfmaschine war der Elektromotor mit dem Ausbau des Stromnetzes in kleinsten Einheiten an beliebigen Standorten flexibel einsetzbar, so dass sich zahlreiche Heimarbeiter kleine Werkstätten neben ihren Wohngebäuden einrichteten. Hatten sich die Wasserkotten in der Zeit der Dampfschleifereien angesichts des großen Bedarfs an Schleifstellen noch gut behaupten können, so verloren sie nun an Attraktivität. Dies umso mehr, als die später eingerichteten Motorwerkstätten bessere hygienische Bedingungen aufzuweisen hatten. 1898 war eine Polizeiverordnung für den Betrieb von Schleifereien erlassen worden, die u. a. eine hinreichende Raumhöhe, befestigte Böden und Mindestgrößen der Fenster zwecks Lüftung und Verbesserung der Lichtverhältnisse vorschrieb.

Nach dem Ersten wurden zahlreiche Wasserkotten nicht mehr in Betrieb genommen. Stattdessen gab es eine starke Zunahme der Motorwerkstätten. Selbst in den verbliebenen Dampfschleifereien wurden die Arbeitsstellen nun nicht mehr per Transmission und Dampfkraft, sondern raumweise per Elektromotor angetrieben. Auch in einigen Wasserkotten versuchte man sich mit Elektroenergie von den Unberechenbarkeiten der Naturkräfte unabhängig zu machen.

1950 waren von den ehemals 24 Wasserkotten an der Wupper noch zwei in Betrieb, der Balkhauser Kotten und der Wipperkotten. Die anderen Kotten waren - sofern nicht ungenutzt, verfallen oder abgerissen - auf Elektrizität umgestellt. Nicht zuletzt das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) förderte diese Entwicklung aus nahe liegenden Gründen, indem es Kottenanlagen aufkaufte und auf Elektroantrieb umrüstete. Auch der Innenkotten des Wipperkottens befand sich seit 1921 im Besitz des REW.