Vom Schleifkotten zum Denkmal

01.03.2020

Seit den 1950er Jahren wuchs in der Öffentlichkeit das Interesse an der Erhaltung dieser wichtigen industriehistorischen Relikte. Bereits Mitte der 1920er Jahre war in einem Bachkotten des Solingen-Walder Ittertales ein Heimatmuseum eingerichtet worden, das jedoch den Zweiten Weltkrieg nicht überstand. 1962 konnte schließlich der Balkhauser Kotten als Schleifermuseum der Öffentlichkeit übergeben werden. Nachdem jedoch der Balkhauser Kotten 1969 abbrannte und vollständig neu aufgebaut werden musste, ist der Außenkotten des Wipperkottens der einzige original erhaltene Wasserkotten auf Solinger Stadtgebiet. 

Dass der Wipperkotten in dieser Form erhalten blieb, war alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zwar meldete das Solinger Tageblatt bereits im Juli 1951, dass die Besitzer des Außenkottens bereit seien, "den Kotten der Verwaltung zur Errichtung eines neuen Schleifer- und Heimatmuseums unter besonders günstigen Bedingungen zu verkaufen." Zu diesem Zeitpunkt wurden gar Hoffnungen wach, dass das RWE zu dem Projekt auch den Innenkotten beisteuern könnte. Doch aus dem Heimatmuseum Wipperkotten wurde nichts. Denn die Pläne der Stadtverwaltung sahen anders aus. Das Gebäude war kaum gekauft, da erhielten die Schleifer die Kündigung. Der Schleifkotten sollte niedergelegt werden. Erst auf Initiative der Schleifer, die sich unabhängig vom Besitzer des Außenkottens an den Landeskonservator wandten, wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Die Schleifstellen blieben erhalten, wobei die Denkmalschutzbehörden ausdrücklichen Wert auf den Wasserkraftantrieb legten. Der Abriss war verhindert, aber die Unterschutzstellung hatte keine praktischen Konsequenzen. Die Rheinische Post resümierte 1970 zu Recht, dass sich "die Stadt bislang kaum um den Wipperkotten gekümmert hat." Während der Innenkotten 1954 vom RWE in Privathand überging und in mühevoller Arbeit zu Wohn-, Atelier- und Ausstellungsräumen ausgebaut wurde, war das als Schleiferei genutzte Gebäude weitgehend dem Verfall preisgegeben.

Somit war es allein der idealistischen Haltung der Schleifer zu verdanken, dass die Anlage erhalten werden konnte. Sie pflegten und warteten das Wasserrad, die Wassergräben und die Transmissionsanlage. Sie betrieben unter hohem Einsatz Bauunterhaltung, Hochwasserschutz und beseitigten Hochwasserschäden. Die Schleifer erwiesen sich als die wichtigsten Denkmalschützer, wobei sie sich bei ihrem kulturpolitisch wertvollem Engagement immer wieder in der Rolle lästiger Bittsteller befanden. Denn betriebswirtschaftlich betrachtet war das Gebäude längst nicht mehr rentabel.

Angesichts des in den letzten Jahren zu beobachtenden Trends zum komplett sanierten, "schönen" Industriedenkmal war die Entwicklung - bei allen Härten für die Betroffenen - unter dem Strich kein Schaden. Denn nicht nur der ästhetische Charme, sondern auch der industriehistorische Dokumentationswert des Kottens blieb auf eine eigentümliche Weise erhalten. Nicht auszudenken, wie der Kotten heute aussähe, wenn er in den 1950er Jahren zum Heimatmuseum umfunktioniert oder von einem Liebhaber zum Wohnort auserkoren worden wäre. 

1994 wurde auch das feste Inventar des Schleifkottens unter Denkmalschutz gestellt. In dem diesbezüglichen Gutachten führt das Rheinische Amt für Denkmalpflege aus: "Technische Ausstattung, wasserbauliche und wassertechnische Einrichtungen (Wehr, Rechen, Wasserrad) sowie Bauwerk selbst stellen die denkmalwerte Einheit des Baukomplexes dar und müssen daher im Verbund miteinander erhalten werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die einzelne Arbeitsmaschine nicht unbedingt von hohem Alter ist, demonstriert sie als Bestandteil der erhaltenen Gesamteinrichtung des Kottens eine für die Stadt, ihre gewerbliche, wirtschaftliche und technische Entwicklung bedeutsame Gesamtheit, die bei einer Umnutzung, beispielsweise zu Wohnzwecken, unrettbar verloren wäre. Denkmalerhaltende Maßnahme ist daher die Ermöglichung der Fortführung des in der jetzigen Form laufenden Betriebes." (Zitat aus: Rheinisches Amt für Denkmalpflege, Gutachten zum Wipperkotten, 1994).